“Trauerheilung – warum ich diesen Begriff gewählt habe”

Ich wusste es, als ich die Türe zu unserer Wohnung öffnen wollte. Ich kam von einem Tagesausflug nach Füssen mit unserer gemeinsamen Tochter und Freunden zurück und war voller Energie und Geschichten, die ich Patrick, meinem Mann erzählen wollte. Mit Schwung wollte ich die Wohnungstüre öffnen und prallte – weil sie verschlossen war – mit voller Wucht gegen sie. Obwohl es noch eine halbe Stunde Zeit war bis wir uns verabredet war und von außen sonst wirklich nichts daraufhin gedeutet hatte – war mir in diesem Moment schlagartig klar, dass Patrick etwas passiert war. Ohne es kontrollieren zu können weinte ich los und konnte mich auch eineinhalb Stunden lang nicht beruhigen. Dann fing ich mich wieder und ging die nächsten klaren Schritte: Rücksprache mit einem Freund was nun anstand, denn Patrick war auf einer Bergtour unterwegs, es war kurz vor dem Untergehen der Sonne und immerhin hatten wir Winter – es war Ende Januar und kalt, wenn auch für die Berge schneearm. Dann ging alles recht schnell: Anruf bei der Bergwacht und bei der Polizei, um eine Vermisstenmeldung aufzugeben. Als die Polizei dann drei Stunden später zu uns kam um uns Patricks Tod mitzuteilen, war ich schon längst abgetaucht…

Die Trauer hat bei mir wie eine Wucht eingeschlagen und der Schmerz am Anfang war unglaublich groß. Obwohl ich mich an die ersten drei Wochen nach Patricks Tod kaum an Details erinnere war eines – vor allem auch im Rückblick – sehr erstaunlich für mich: ich hatte vom ersten Moment an als ich in diese Zeit hineingerutscht bin einen unglaublich klaren und freien Zugang zu meiner Intuition. Ich wusste vom ersten Moment an immer, was ich Schritt für Schritt verkraften und leisten konnte und was mir gut tat oder eben nicht. Diese Klarheit war und ist wirklich ein Anker für mich. Diese Klarheit hat mich auch gleich in den ersten Tagen in die Hingabe geführt – Hingabe an all das, was sich da in mir an Gefühlen, Emotionen und Welten gezeigt hat. Da ist natürlich immer ein Bedürfnis, sich dem nicht zu stellen, einfach, weil es weh tut und unheimlich schwer ist. Und trotzdem war mir klar, dass es immer nur ein Aufschieben wäre und so habe ich mich wirklich gleich da hinein fallen lassen. Die Hingabe ist das Wichtigste im Umgang mit meiner Trauer geworden.

Angesichts der Tiefe dieser inneren Welt, die uns in Trauerzeiten begegnet, fand ich den Namen “Trauerheilung” passend für das, was ich mit Federschwingen anbieten möchte. Das möchte ich etwas erläutern: ich fand das Wort NICHT passend, weil ich glaube, dass Trauer geheilt werden müsste. Das würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass Trauer irgendwie nicht richtig ist. Ich finde den Begriff eher passend, weil ich finde, dass wir uns von der Vorstellung “heilen” dürfen, dass Trauer falsch oder gar ein Krankheitszustand ist. Trauer ist, was sie ist und sie ist vor allem eine natürliche Reaktion auf einen Verlust. Dieser kann entstanden sein durch den Tod eines nahestehenden Menschen, tritt aber auch in anderen Lebenssituationen und -umständen auf: Jobwechsel, Pubertät, Krankheit…eben immer dann, wenn wir etwas vertrautes und uns wertvolles loslassen müssen. Trauer hat auch keine Phasen, die jeder durchläuft, sondern sie ist ein durch und durch individueller Weg. Deshalb stehen wir dem auch oft etwas verloren gegenüber.

Aus diesen Gesichtspunkten heraus ist mein Angebot weder therapeutisch noch heilend. Vielmehr bieten sie einen geschützten Raum, der inneren Welt Ausdruck geben zu können, um bestenfalls Schritt für Schritt durch diese Zeit gehen zu können. Dieser Raum ermöglicht, dass wir nicht verdrängen, auch wenn es nicht leicht ist was sich da zeigen mag.

Mit lieben Grüßen,
Tina

Published On: 26. Januar 2022